Susanne Hegmann

„Raum 22“

Ein Habitat ist ein Lebensraum und Susanne Hegmann erweitert diesen Begriff für ihre Installation im Schloss Biesdorf ins Autobiographische.

Während man draußen vor den Fenstern die Natur wahrnehmen kann, zeigt die gegenüberliegende Wand ein Waldstück im photographischen Abbild (ASHLEY93). Und obwohl man gewohnt ist, der Photographie noch immer Unmittelbarkeit und Authentizität zuzubilligen, noch dazu, wenn sie uns im Maßstab 1 zu 1 gegenübertritt, wird in diesem Falle doch sofort klar, dass es sich hier nur um den matten Abglanz eines Waldes handelt.

Das auf Leinwand aufgezogene Großfoto zeigt in seinem seltsam farbstichigen Schwarzweiß und in der deutlich zu Tage tretenden Materialität, mit deutlichen Knicken und Falten, vor allem seinen Alterungsprozess, eine von der ursprünglichen, illusionistischen und rein dekorativen Absicht weit entfernte Künstlichkeit, sprich: einen Bild-Gegenstand, der vor allem seine eigene Zeitlichkeit zur Schau stellt. Tatsächlich hat die Künstlerin das ursprüngliche Material bei einem Aufenthalt in London vor fast 30 Jahren aus einer Ladendekoration ergattern können und seitdem fast in Gänze bewahrt. Es ist also ein Fund- und Erinnerungsstück, das nur vordergründig das Motiv eines Waldstückes zeigt, viel eher eine Spur gelebten Lebens, einer sowohl natürlichen Transformation (das Ausbleichen und Vergilben des Fotos durchs Tageslicht) als auch einer künstlerischen (in der materiellen Verwandlung, dem Zuschnitt und der Präsentation).

Die Künstlerin hantiert hier mit Spuren, die auf dem Lebensweg wie von selbst anfallen (ZINK99), Spuren, die bewusst konserviert und Spuren, die erst im Nachhinein festgehalten werden, wofür sie zunächst einmal freigelegt werden müssen. Dies ist ein eher archäologischer Vorgang, der behutsam Schichten abträgt, Überflüssiges beiseiteschiebt und Vergessenes, Verschüttetes und Übersehenes ans Tageslicht bringen kann. Es ist eine Spurensuche auf der Zeitachse. So dass sich hier Spuren aus drei Jahrzehnten, aus Münster, London und Costa Rica finden. „Zum Raum wird hier die Zeit“.

SUSANNE HEGMANN schloss ihr Studium der freien Kunst an der Kunstakademie Münster mit Diplom ab. Neben ihrer Ausstellungstätigkeit im In und Ausland, diversen Studienaufenthalten (zuletzt 2014/16 Artist in residence at Tyrone-Guthrie-Center, Monaghan, Irland), war sie von 2017 bis 2020 Sprecherin des Vorstands im Deutschen Künstlerbund und Delegierte der IGBK, sowie im NRW-Kulturrat. Susanne Hegmann lebt und arbeitet in Münster und Costa Rica.

 

www.susannehegmann.eu