Miriam Lenk – Fokus auf die weibliche Kraft

Im Mittelpunkt von Miriam Lenks Arbeit steht ein weiblicher Archetyp, groß, laut und mächtig, eine Ikone für Kraft und Vitalität, die aus der Natur hervorgeht – lebenshungrig, dynamisch und aufblühend. Nackt und befreit scheint diese Figur mit Eros verwoben und ist in einer befruchtenden Umgebung wie eine Göttin zentriert. Denn dieser Archetyp ist nicht isoliert dargestellt, er ist Teil einer wuchernden Natur, die Manifestation des élan vital, ein Begriff des französischen Philosophen Henri Bergson. Dieser beschreibt die Lebensimpulse in allen Lebewesen und Dingen beschreibt, eine Allheit, die alles mit allem verbindet. Lenks weibliche Kreaturen sind expressiv und von frei wuchernder barocker Ornamentik aus pflanzlichen und organischen Komponenten umgeben. Oft haben sie kein Gesicht, nur einen großen offenen Mund mit vollen Lippen. Miriam Lenks erste Werkreihen hatten noch eine glatte, gleichmäßig modellierte Oberfläche, ob aus Keramik, Bronze oder Epoxidharz. Ab 2017 kamen die Arbeitsspuren von Gips, Acrystal und Epoxidharz hinzu und sie begann bildhauerisch sowie inhaltlich hinter die Fassade ihrer Galionsfiguren zu schauen. Die Ambivalenz ihres eigenen Frauenbildes hinterfragend, fing Lenk an, sich mit den Negativformen ihrer Skulpturen zu befassen. Bei der Arbeit Fragile Wucht geht die Bildhauerin noch einen Schritt weiter: Die gedrehte und nach hinten abkippende Figur wirkt von vorne noch barock und üppig. Wer sie umrundet, erkennt bloß noch eine Hülle, eine Art Nachbild von Kraft und Vitalität. Ist es der Absturz, der sich im Höhepunkt ankündigt?

 

Miriam Lenk (geb. 1975) ist gelernte Goldschmiedin, studierte Literatur und Medienwissenschaften in Konstanz sowie Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, wo sie 2009 ihren Meisterschüler absolvierte. Seitdem stellt die Bildhauerin national aus und schafft zugleich Skulpturen für den öffentlichen Raum, wie z. B. in Albstadt, Ludwigshafen und Berlin. Miriam Lenk lebt und arbeitet in Berlin und Bodman.