Michael H. Rohde – Ungewohnte Raumansichten

Michael H. Rohde verwendet das fotografische Medium, um künstlerische Bilder als Fotomontagen oder als Malerei zu schaffen, denn Fotografie ist das Rohmaterial für seine Kompositionen. Rohde sieht sich dabei nicht als Fotograf, sondern als Maler und seine Bilder dienen der Vermittlung für ein starkes Empfinden des anders Sehens, anders Fühlens. Seinen ungewöhnlichen Ansichten von Innenräumen, ob von oben oder von unten fotografisch fragmentarisch aufgenommen und wieder zusammengesetzt, unterzieht er Verzerrungen und schafft Desorientierung. Seine verstörenden Raumansichten fordern somit die Wahrnehmung heraus, denn zentralperspektivisch geschult, ringt das Auge um Orientierung und der Betrachter selbst wird ins kompositorische Zentrum gerückt. Dabei manipuliert der Künstler kaum die Abbildungen der Gegenstände selbst. Er verändert nur die Sicht auf diese. Denn die Augen versuchen eine einheitliche Sicht zu rekonstruieren, doch dies verstärkt schließlich das Eigenleben der Bildgegenstände. Was Rohde interessiert, ist nicht der spektakuläre Effekt, sondern neue Möglichkeitsformen des Wirklichen, eine andere Sicht auf Bestehendes, Bekanntes, Gewöhnliches. Das Spiel mit neuen Optionen des Perspektivischen und dessen Effekt beim Betrachten beinhaltet nicht nur technisches Können, sondern auch eine human-gesellschaftliche Dimension, denn dem Gewohnten wird der Boden entzogen. Die Konstanz der Dinge im alltäglichen Raum gerät durch die Sogwirkung der Kompositionen ins Wanken und dies mit erschütternder, teils bedrohlicher Kraft. Rohdes Arbeiten stehen für eine Reflexion der Welt und zugleich für eine existenzielle Zustandsbeschreibung der eigenen Künstlerposition. Destabilisierung, Wanken und auch Zerstörung schwingt in seinen Werken mit und spielen somit auch die Zerbrechlichkeit von Gewohntem an.Seine Erfahrung der Obdachlosigkeit 2009 mündete bei dem Künstler in ein ästhetisches Konzept und Kerngedanken, in dem die Zentralperspektive von unten auch als eine Art Sozialperspektive zu verstehen ist, und dieser Blick von unten auf einen wesentlichen Teil selbst erfahrener Lebenswirklichkeit hindeutet.

 

Michael H. Rohde (geb. 1960) machte zunächst eine Lehre zum Maschinenschlosser und absolvierte ein Studium zum Maschinenbauingenieur. Nach einer Arbeitsphase als Diplom-Ingenieur studierte er Kunsttherapie und -pädagogik sowie Bildende Kunst an der Fachhochschule Ottersberg. 2002 absolvierte er ein Aufbaustudium Bildende Kunst (vergleichbar mit der Meisterklasse) an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Es folgten Stipendien, Ausstellungen und zahlreiche Preise im Bereich Kunst und Fotografie. Michael H. Rohde lebt und arbeitet in Berlin.